Barthaarentfernung als geschlechtsangleichende Maßnahme – Das sollten Sie wissen!
Die Barthaarentfernung spielt eine zentrale Rolle im Leben einer (Trans-)Frau.
Der Erfolg der Haarentfernungsmethode soll im besten Fall lebenslang anhalten. Deshalb kommen Betroffene nur selten an der Elektroepilation vorbei.
Professionelle Elektrologisten gesucht
Das ist der Beginn einer oft langen Enthaarungsgeschichte, denn es gibt nur sehr wenige professionelle Elektrologisten, die sich ausschließlich auf die Elektroepilation spezialisiert haben. Die meisten bieten neben der Elektroepilation ein breites Angebot an anderen kosmetischen Dienstleistungen und Haarentfernungsmethoden an. Der Erfolg der Elektroepilation steht und fällt jedoch mit der präzisen Durchführung und der fachlichen Kompetenz. Und genau hier hakt es leider viel zu oft, weil diese filigrane Tätigkeit eben keine kosmetische Zusatzdienstleistung ist, sondern Präzisionsarbeit, die viel Übung und Korrektur unter fachlicher Aufsicht erfordert. Das Resultat von nicht fachgerecht, durchgeführter Behandlungen sind viel zu lange Behandlungszeiten und Hautschäden.
Behandlungsdauer für einen Vollbart
Betroffene als auch Anbieter der Elektroepilation kommunizieren bis zur 500 Stunden als durchaus übliche Behandlungsdauer für einen männlichen Vollbart. Ob ganz bewusst oder wider besseres Wissen möchte ich hier nicht thematisieren. Aber dauert die Barthaarentfernung bei einer (Trans-)Frau wirklich mehrere hundert Stunden? Fakt ist, dass ein mitteleuropäischer Männerbart in weniger als 100 Stunden erfolgreich entfernt werden kann. Und das hat nichts mit Hightech-Geräten oder Ausnahmetalenten zu tun, sondern ausschließlich mit Fachkompetenz und Präzision. Das belegen jahrzehntelange schriftlich und bildlich dokumentierte Behandlungen professioneller Elektrologisten, die mit allergrößter Sorgfalt, sehr präzise und gründlich arbeiten bzw. gearbeitet haben. Selbst Anfänger kommen selten und wenn nur knapp über 100 Stunden, vorausgesetzt sie führen eine fachlich, präzise Elektroepilation durch. Behandlungszeiten bis zu 500 Stunden für einen Vollbart entsprechen zwar in der Praxis der Realität und werden leider auch vielerorts akzeptiert, sind aber fachlich nicht akzeptabel. Differenzen dieser Größenordnung sind weder mit unterschiedlichen Haardichten noch mit hormonellen Schwankungen erklärbar.
Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:
Zwischen der Ausgangssituation im Februar 2017 (Bilder: rechts und links) und dem finalen Ergebnis im November 2019 (Bild: Mitte) liegen 73 Behandlungsstunden und eine sehr glückliche Kundin.
Das nachfolgende Beispiel stammt aus einer anderen Kosmetik- und Epilationspraxis. Die Bilder und Informationen zu den durchgeführten Behandlungen wurden mir freundlicherweise von der betroffenen Kundin zur Verfügung gestellt.
Zwischen diesen beiden Bildern liegen drei Jahre und 400 Stunden Elektroepilation. Haarfrei ist die Kundin immer noch nicht und die unprofessionelle Behandlung hat deutliche Spuren und eingewachsene Haare hinterlassen.
Was ist passiert?
Zunächst, die Kundin hat der vorgeblichen Professionalität vertraut und wähnte sich in guten Händen. Anfangs stellten sich noch Erfolge ein, doch trotz regelmäßiger Behandlungen stagnierte der Fortschritt und der Haarbestand reduzierte sich nicht mehr. Ich stelle mal die Hypothese auf, dass die anfänglich höhere Trefferquote der höheren Dichte geschuldet war.
Für die vielen Stunden und die Hautschäden gibt es nach meiner Expertise nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder wurde unterbehandelt oder die Behandlung wurde unpräzise durchgeführt. Unterbehandlung bedeutet, dass die Intensität in der Zielregion im Haarfollikel nicht ausreichend war. Unpräzise bedeutet, dass die Epilationsnadel die Zielregion verfehlt hat. Auch eine Kombination aus Unterbehandlung und unpräzisen Insertion ist denkbar. In beiden Fällen kommt es immer wieder zu nachwachsenden Haaren, eingewachsenen Haaren und der Erfolg stellt sich nur sehr langsam ein. Das würde die vielen Behandlungsstunden erklären und da sich die Haut in einem ständigen Wechsel zwischen Verletzung und Heilungsprozess befindet, führt diese Dauerbelastung über kurz oder lang zu nicht unerheblichen Hautschäden.
Die Leidtragende ist die Kundin, die in diesem Fall zwar die Behandlungskosten nicht selbst tragen musste, aber seit drei Jahren entweder mit Bart oder mit Rötungen lebt und nun auch noch mit den Spuren aus dieser noch nicht mal beendeten Behandlung. Das hätte alles vermieden werden können, wenn es allgemein gültige Standards für Ausbildung und Durchführung der Behandlung gäbe und die Behandlung fachgerecht durchgeführt worden wäre. Die Kundin hätte schon längst keine Haare mehr und die Krankenkasse hätte 4/5 der Behandlungskosten gespart.
Kosten der Elektroepilation
Ein genauerer Blick auf die Behandlungskosten drängt sich geradezu auf. Diese werden bei der Elektroepilation üblicherweise nach Aufwand, also der benötigten Behandlungsdauer, abgerechnet. Das heißt, je länger die Behandlung dauert, umso höher die Kosten. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 120 Euro variieren die Kosten für einen männlichen Vollbart zwischen 12 und 60 Tausend Euro, je nach Kompetenz der Anbieter. Die Differenz ist ein geräumiger Kombi, ein sportlicher SUV oder ein luxuriöser Kleinwagen, je nach Ausstattung.
Schauen wir nochmal auf die Ausgangssituationen der beiden Betroffenen.
Bild links zeigt einen ausgeprägten männlichen Bartwuchs und eine mittelstarke Haardichte, für dessen Entfernung wurden von mir bis zum finalen Ergebnis 73 Behandlungsstunden benötigt. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 120 Euro sind das insgesamt 8760 Euro.
Bild rechts zeigt einen weniger ausgeprägter Bartwuchs und eine etwas geringere Haardichte. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 120 Euro sind, für die bisher durchgeführten 400 Behandlungsstunden, bereits 48.000 Euro an Kosten entstanden und die Behandlung ist nicht abgeschlossen.
Kostenübernahme durch die Krankenkassen
Laut Begutachtungsanleitung für Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0) der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V1 zählt die Barthaarentfernung zu den medizinisch, indizierten Maßnahmen. Daraus ergibt sich eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch einen zugelassenen Leistungserbringer. Da es quasi keine Ärzte gibt, die die Elektroepilation durchführen, beschreiten Betroffene häufig den Klageweg. Die Urteile der Sozialgerichte in den vergangenen Jahren besagen jedoch, dass selbst bei einer vorliegenden Unterversorgung vertragsärztlicher Praxen, kein Anspruch auf Kostenübernahme der Elektroepilationsbehandlung durch Elektrologisten oder Kosmetiker besteht.
Bewilligt die Krankenkasse den Antrag auf Übernahme der Kosten, ist dies also immer eine Einzelfallentscheidung. Manche Bewilligungen werden an nicht nachvollziehbare Bedingungen geknüpft, z. B. die Verbandszugehörigkeit der behandelnden Elektrologisten oder Kosmetiker. Nicht nachvollziehbar, weil eine Mitgliedschaft noch kein Qualitätsmerkmal darstellt, eben so wenig wie die Personenzertifizierung2 gemäß der Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV).
Wird die Kostenübernahme abgelehnt, bleibt Betroffenen nur die Kosten selbst zu tragen, was je nach Anbieter sehr teuer werden kann, siehe oben.
Fazit
Betroffene, die eine permanente Haarentfernung durch Elektroepilation durchführen lassen möchten, sollten sich im Vorfeld sehr sorgfältig informieren. Gerade in einem Beruf, den es gar nicht gibt, ist es ratsam sich nicht auf Hochglanzflyer, eine hübsch gestaltete Homepage oder werbewirksame Aussagen, wie „Erfahrene Spezialisten“, „Beste Ergebnisse“, „Führender Anbieter“, „Modernste Gerätetechnologie“ oder „Regelmäßige Fortbildungen“ zu verlassen.
Alle Aussagen assoziieren, dass hier Profis arbeiten, die genau wissen was sie tun. Doch was zeichnet erfahrene Spezialisten aus und wie werden beste Ergebnisse definiert, insbesondere im Vergleich zu wem, oder was?
Erfahrung spiegelt sich zunächst in einer routinierten Arbeitsweise. Sich auf eine Sache zu spezialisieren bedeutet, besondere Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlangen und zu erweitern, indem man aus den eigenen Erfahrungen lernt. Spezialisten setzen sich also mit den eigenen Fortschritten und Ergebnissen auseinander. Sie werten ihre Leistungen aus, prüfen und vergleichen diese mit anderen Anbietern, insbesondere mit anderen Spezialisten.
Erfahrene, spezialisierte Elektrologisten dokumentieren ihre Arbeit und in Verbindung mit Vorher-Nachher-Aufnahmen werden wichtige Erkenntnisse gewonnen, wie z. B. durchschnittliche Behandlungszeiten, die man anonymisiert vorzeigen kann. Selbst Anfänger sind in der Lage ihre Behandlungsverläufe noch nicht final dokumentierter Behandlungen zu analysieren, um frühzeitig Unregelmäßigkeiten zu erkennen, möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen und Schlüsse für die weitere Behandlung zu ziehen, um beste Ergebnisse zu erzielen.
Wer macht wen und auf welcher Grundlage zum führenden Anbieter? Heißt, wer entscheidet, ob ein Anbieter führend ist und im Vergleich zu wem, oder was? Oder handelt es sich um eine subjektive Selbsteinschätzung des Anbieters? Ist der Einsatz „modernster Gerätetechnologie“ gleichbedeutend mit besseren Ergebnissen? Eine präzise Insertion der Epilationsnadel in den Haarfollikel ist nicht durch ein Gerät zu ersetzen bzw. ein Ferrari macht noch lange keinen Formel-1 Pilot aus dem Besitzer. Und welche regelmäßigen Fortbildungen wurden oder werden besucht? Das Angebot an echten Fortbildungen für Elektrologisten ist ja sehr übersichtlich und die Teilnahme sagt noch nichts über den gewonnenen Mehrwert aus.
Es lohnt sich also für Betroffene sehr genau hinzuschauen und viele Fragen zu stellen, vor allem nach nachweislichen Behandlungsergebnissen, Aufzeichnungen und Bildern mit Zeitstempel, die den Behandlungsverlauf dokumentieren!
2 https://www.elektro-epilation.de/haarentfernung-wissen/nisv-zertifiziert-qualifiziert